„Ich arbeite mit der Natur, nicht gegen sie“: Das ist das Motto, mit dem Tino Ryll seinen Betrieb im Fläming bewirtschaftet. Dank seiner regenerativen Methoden spart er allein über die Hälfte der erlaubten Düngermenge ein, ohne auf Ernteerträge verzichten zu müssen. Das erklärte Ziel ist, zu 100 Prozent auf mineralischen Dünger bis 2035 zu verzichten, dabei bleibt aber der Blick auf den Humusgehalt, der bis dahin gesteigert werden muss. Denn nur mit ausreichendem Humus kann er das Ziel erreichen.
Tino Ryll hält jeweils ein Gras- und ein Urroggenbüschel in der Hand. Beide Bündel weisen einen sehr hohen Wurzelanteil auf, was auf kräftige und widerstandsfähige Pflanzen und einen nährstoffreichen Humusanteil im Boden schließen lässt.
Dass die Kulturen so gut wachsen, verdankt der Landwirt aus Teltow-Fläming rund 60 Kilometer südlich von Berlin dem gesunden Boden, der wiederum auf seine große Experimentierfreude zurückzuführen ist. Denn 2018 sah es noch anders aus auf den Feldern des Familienbetriebs. Die Erträge stagnierten auf vielen Flächen. Die Gründe dafür waren unter anderem den sandigen Böden in Brandenburg geschuldet und der hohen Trockenheit, die in diesem Bundesland herrscht. „Wir haben im Schnitt 35 Bodenpunkte mit 500 mm Jahresniederschlag. Das Ganze machen wir auf lehmigen Sand mit 30 bis 40 cm Mutterbodenauflage. Darunter folgt Sand“, erklärt Tino Ryll die Boden- und Trockenheitssituation.
Humusaufbau als Schlüssel
„Um unseren Betrieb zukunftssicher zu gestalten, mussten wir etwas unternehmen“, erklärt der Agraringenieur. Bereits 2012 hatte der Landwirt eine Weiterbildung im Bereich Bodenfruchtbarkeit absolviert und auf den Feldern erste Versuche gestartet, den Humusanteil zu verbessern. 2018 stellte Tino sowie sein Vater Norbert, ihr System auf regenerative Landwirtschaft um. Seit 2021 wird auf dem Betrieb zu 100 Prozent regenerativ gearbeitet.
Das heißt: Im Mittelpunkt steht ein gesunder und nährstoffreicher Boden, der durch eine umfangreiche und vielfältige Fruchtfolge mit bis zu 14 Kulturen sowie eine schonende Bodenbearbeitung herbeigeführt wird. Auf die Frage, ob auf dem Betrieb ein Pflug eingesetzt wird, antwortet Tino Ryll: „Um Gottes Willen, nein.“
Weitere den Boden verbessernde und humusaufbauende Maßnahmen sind das Ausbringen von Biostimulanzien wie selbst hergestellter „Komposttee“, „Effektive Mikroorganismen“ oder ein Gemisch aus kompostiertem Rasenschnitt gemixt mit Wasser und Zuckerrohrmelasse sowie Pflanzenkohle. Diese hilft, den Kohlenstoff langfristig im Boden zu speichern, was nicht nur den Boden fruchtbarer macht und das Klima schützt, sondern auch eine lukrative Einnahmequelle für den Bauernhof ist – über CO2-Zertifikate.
Das ganze Jahr über grün
Heute wachsen auf den Feldern neben den Ölfrüchten Raps, Sonnenblumen, Lein, Mohn, Senf und Hanf, Getreide sowie zahlreiche Zwischenfrüchte und Untersaaten, sodass die rund 500 Hektar große Ackerfläche das ganze Jahr über bedeckt ist.
Ein Beispiel für regeneratives Landwirtschaften ist das zu Beginn erwähnte Gras, das mit dem Urroggen von einer Strip-Till-Drillmaschine ausgebracht wird. Dank dieser Landmaschine ist es möglich, neben einer Hauptkultur Dünger und Beisaaten mit auszusäen. Die Beisaaten dienen als Untersaat und wachsen mit der Hauptkultur, dem Urroggen, als Mischfruchtpartner. Diese liefern sich auf Grund unterschiedlicher Wurzelausscheidungen eine Symbiose und ergänzen ihre fehlenden Nährstoffe untereinander. Die Partner setzen sich aus drei wichtigen Pflanzenfamilien zusammen: Kreuzblüter, Leguminosen und Gräser, wobei letzteres der Urroggen abbildet. Diese Kombination aus mehreren Pflanzen wirkt dem Wachsen von Unkräutern entgegen, ist Nährstoffgeber für die Hauptkultur und Nahrung für Insekten und andere Bodenorganismen. Dadurch trägt die Untersaat zum Humusaufbau bei. Durch die vielen Wurzeln ist die Bodenstruktur gelockert und kann besser Wasser speichern.





Durch die schonende und immergrüne Arbeitsweise kann der Betrieb schon heute auf rund die Hälfte der erlaubten Düngemittel verzichten. 40 bis 80 Kilogramm Mineraldünger bringen die Rylls pro Kultur, Hektar und Kalenderjahr noch aus, 170 Kilogramm wären erlaubt.
„Das Einzige, was mir an regenerativen Maßnahmen noch fehlt, ist ein Agroforstsystem“, sagt Tino Ryll. „Die Bodenmaßnahmen sind schon ganz gut abgedeckt.“
Genuss vom eigenen Hof
Dass Genuss eng mit dem Umgang und der Nutzung der Natur zu tun hat, stellt man fest, wenn man die Produkte vom Fläminger Genussland probiert. Über diese Plattform vertreiben die Rylls Öle, Honig, Getreideprodukte, Fleisch und Wurstwaren und sogar Getränke wie Aroniasaft und Ginsenglikör.

Regionale Vielfalt vom Hof: Öle, Honig, Getreide, Fleisch und sogar Aroniasaft und Ginsenglikör Foto: Fläminger Genussland