Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) überprüft in der Langzeitstudie MEAL die beliebtesten Lebensmittel auf deren Inhalte. BfR-Präsident Prof. Dr. Dr. Hensel über die wichtigsten Erkenntnisse
Welche Lebensmittel haben Sie für Ihre Studie herangezogen?
MEAL ist eine Total-Diet-Studie. Das heißt, sie berücksichtigt den gesamten Speiseplan der Bevölkerung. Insgesamt untersuchen wir dafür 356 Lebensmittel. Bei der Auswahl dieser Speisen halfen uns zwei repräsentative Erhebungen, die uns Informationen zu 90 Prozent der am häufigsten konsumierten Lebensmittel lieferten. Wir haben weitere Nahrungsmittel ergänzt, von denen wir wissen, dass sie für unsere Aufnahmeschätzung wichtig sind.
Dorschleber zum Beispiel kann vergleichsweise viel Dioxin enthalten. Lebensmittel mit solch gravierender Konzentration unerwünschter Stoffe berücksichtigen wir für unsere Studie und das Gesamtbild also auch dann, wenn nur wenige Menschen sie verzehren.
Was sind die Top 5 Lebensmittel?
Eine absolute Hitliste wäre sicher spannend, aber so haben wir nicht gearbeitet. Aus dem gesamten Sortiment bildeten wir 19 verschiedene Lebensmittelgruppen. Innerhalb dieser Gruppen lassen sich klare Favoriten der Bevölkerung erkennen: Bei Getreide und Getreideprodukten ist es das klassische Graubrot und beim Gemüse die Tomate. Beim Obst ist der Apfel ein Evergreen. All das haben wir dort eingekauft, wo es auch unsere Mitmenschen tun, im Supermarkt, beim Discounter und auf dem Wochenmarkt.
Welche Hauptrisikostoffe haben Sie entdeckt?
Zunächst würde ich gern betonen, dass die Sicherheit der Lebensmittel in Deutschland sehr hoch ist. Das hat auch die MEAL-Studie bestätigt, mit der wir den Gehalt von rund 300 Stoffen in verbrauchertypisch zubereiteten Lebensmitteln ermittelt haben.
Wir unterscheiden zwischen erwünschten und unerwünschten Substanzen. Für beide gilt, dass ihr Effekt auf die menschliche Gesundheit maßgeblich von der Dosis abhängt. Für viele unerwünschte Stoffe gibt es gesundheitliche Richtwerte. Diese geben an, bis zu welcher täglichen oder wöchentlichen Aufnahme gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind.
Ein Beispiel sind die Dioxine: Diese Stoffgruppe kommt in der Umwelt vor und sammelt sich unter anderem im Fett von Tieren an. Wenn wir Fleisch essen, nehmen wir die Dioxine mit auf. Das ist vor allem bei fettreichen Arten ein Thema, zum Beispiel dem Aal. Dioxine können bei sehr hohen Verzehrmengen etwa das Immun- und das Nervensystem beeinträchtigen. Die Dioxinlevel, die wir konkret gemessen haben, waren aber insgesamt niedrig und oft sogar um ein Vielfaches unterhalb der zulässigen Höchstgehalte.
Entscheidend für uns ist das Gesamtbild. Fisch zum Beispiel ist reich an wertvollen Mikronährstoffen wie Jod und Omega-3-Fettsäuren. Ich rate deshalb immer zu einer abwechslungsreichen Ernährung. Das reduziert die Risiken durch unerwünschte Inhaltsstoffe und erschließt uns erwünschte Substanzen in der Nahrung.
Welche weiteren Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Durch die MEAL-Studie wissen wir zum Beispiel, wie gut die deutsche Bevölkerung mit Jod versorgt ist. Dieses lebenswichtige Spurenelement kommt natürlicherweise kaum in unserer Nahrung vor und muss zugesetzt werden. Wir haben festgestellt, dass die Versorgung mit Jod bei manchen Menschen nicht ausreicht. Daraus leiten wir Handlungsempfehlungen ab mit dem Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.
Welchen Einfluss hat die Art der Zubereitung auf eine gesunde Nahrungsaufnahme?
Eine der wichtigen Grundregeln lautet: Lebensmittel schonend zubereiten.
Vergolden statt verkohlen ist daher für Toastbrot, Pommes frites, Bratkartoffeln und Gebäck zu empfehlen.
Ansonsten erhöht sich der Gehalt an gesundheitsschädlichem Acrylamid im Lebensmittel.
Mit dem zweiten Teil der MEAL-Studie werden wir eine Forschungslücke schließen, indem wir erstmals auch Daten zu tatsächlichen Zubereitungsgewohnheiten der Bevölkerung gesammelt haben. Diese werten wir derzeit aus.
Was sollten die Verbraucher bei der Auswahl ihrer Lebensmittel beachten?
Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich abwechslungsreich und vielfältig ernähren. So versorgen sie sich mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen. Und sie beugen einer einseitigen Belastung mit möglichen gesundheitsgefährdenden Stoffen vor, die vereinzelt in Lebensmitteln vorkommen können. Das gilt übrigens für alle Formen der Ernährung, ob nun vegetarisch, vegan oder durch Mischkost.
Welche Risiken können Verbraucher noch vermeiden?
Ein immer noch zu wenig beachtetes Risiko ist das nicht sachgemäße Lagern und Zubereiten von Lebensmitteln in privaten Haushalten. Das kann etwa eine unzureichende Kühlung oder die Benutzung ein und desselben Schneidebretts für rohes Fleisch und Gemüse sein. Um gesundheitliche Risiken durch Mikroorganismen zu minimieren, empfehle ich daher dringend, die Regeln der Küchenhygiene zu beachten.
Welche Rolle spielt das Verfallsdatum?
Was wir landläufig als „Verfallsdatum“ bezeichnen, gibt es rechtlich betrachtet nicht. Hier lohnt sich ein genauer Blick. Es gibt ein Mindesthaltbarkeitsdatum, abgekürzt MHD. Bis zu diesem garantieren uns die Hersteller einwandfrei beschaffene Lebensmittel. Nach Ablauf dieses Datums dürfen die Produkte aber immer noch verkauft werden. Und dann gibt es für leicht verderbliche Lebensmittel wie Geflügelfleisch oder rohes Hackfleisch ein Verbrauchsdatum. Ist das abgelaufen, darf das Produkt nicht mehr verkauft und sollte auch nicht mehr gegessen werden.
Was ist mit Bakterien?
Natürlich sind Lebensmittel nicht steril – zum Glück für den Geschmack. Sie enthalten Bakterien, die sich bei der Lagerung vermehren können. Langfristig können sie zum Verderb des Lebensmittels führen. Meist können wir uns auf unsere Nase und Augen verlassen, um festzustellen, ob das der Fall ist. Krank machende Bakterien kommen mitunter in verarbeiteten Produkten vor, aber vor allem in rohen und unverarbeiteten Lebensmitteln. Mein Tipp lautet daher, nach dem Rückweg vom Einkaufen die Kühlkette einzuhalten und den Kühlschrank auf die empfohlenen fünf Grad Celsius einzustellen. Trockene Lebensmittel, einschließlich Brot, auch trocken lagern. Das hemmt die Vermehrung von Bakterien und Schimmel.
Welche Trends erwarten Sie im Lebensmittelbereich?
Historisch betrachtet ist unser Essen sicherer als je zuvor. Noch nie hatten wir in Deutschland so engmaschige Kontrollen für Lebensmittel, noch nie wurde Nahrung in so großem Maßstab nach derart strengen Richtlinien produziert wie heute. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Risiken in dem Maße zunehmen, in dem wir in Europa mit neuen Lebensmitteln aus anderen Regionen konfrontiert werden. Ich meine das gar nicht negativ. Die Welt hat viel zu bieten. Aber die Globalisierung bringt uns Lebensmittel auf den Tisch, die aus Ländern stammen, in denen es gerade auch im mikrobiellen Bereich Gesundheitsgefährdungen gibt, die bei uns entweder nicht mehr vorhanden sind oder in dieser Form nie vorhanden waren.
Ziel muss es daher sein, die Sicherheitsstandards zu exportieren, die wir hier bei uns in Europa über Jahrzehnte entwickelt haben.
Im Interview: BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. Er ist Veterinärmediziner, Mikrobiologe und Hygieniker. Er leitet das Bundesinstitut für Risikobewertung.