Sie sind ein Power-Paar in der Landwirtschaft: Während Holger Hennies gemeinsam mit vier Kollegen in einer Ackerbaubetriebsgemeinschaft rund 700 Hektar Anbaufläche in Uetze bei Hannover bewirtschaftet, lässt seine Frau Claudia Königsmann auf ihrem Mitmach-Hof Schul- und Kindergartenkinder an ihrem Arbeitsalltag teilhaben.
Landwirtschaft macht neugierig.
Das beweist Claudia Königsmann mit viel Kreativität in ihrem „Grünen Klassenzimmer“. Auch heute blickt die Landwirtin aus Niedersachsen in 25 erstaunte Kindergesichter. Mit großen Fragezeichen in den Augen nehmen die Schülerinnen und Schüler die leeren Pappschachteln, Gläser und Konservendosen, die sorgfältig aufgereiht vor ihnen auf einem Tisch stehen, ins Visier. Erbsen, Karotten, Bohnen, Spinat, Rot- und Grünkohl sind auf den Behältnissen abgebildet. Viele der Fünftklässler kennen das Gemüse fertig abgepackt aus dem Supermarkt, aber wie die Pflanzen frisch aus der Erde sprießen, das haben die meisten von ihnen noch nie gesehen.
„Ich bin gespannt, ob ihr die Verpackungen den Gemüsesorten im Feldgarten richtig zuordnen könnt“, ermutigt Claudia Königsmann die jungen Gemüsedetektive.
„Die Kinder finden dieses Spiel richtig cool“, erklärt die vierfache Mutter. Gefragt ist ein messerscharfer Blick, denn erst bei genauem Hinsehen kommen die kleinen Entdecker den leckeren Lebensmitteln auf die Spur. Das Gemüsesuchspiel bringt die Bäuerin oft zum Schmunzeln. „Ein Schüler hat gerade ein Grünkohlglas bei den Blattsalaten platziert. Na ja, zumindest die Farbe des Gemüses stimmt schon einmal“, lacht die Betreiberin des Mitmach-Hofes.
Lernort Bauernhof
Mit dem EU geförderten Projekt „Lernort Bauernhof“ bietet die 54-Jährige seit 2011 Schulklassen und Kindergärten die Möglichkeit, einen Einblick in den landwirtschaftlichen Alltag zu bekommen. Rund 1800 Kinder und Jugendliche empfängt Claudia Königsmann jedes Jahr auf der denkmalgeschützten Hofstelle, die sie vor 27 Jahren zusammen mit ihrem Ehemann Holger Hennies zusätzlich zum landwirtschaftlichen Familienbetrieb erworben hat. Auf dem 5000 Quadratmeter großen Mitmach-Hof, der auch als Reitbetrieb genutzt wird, erleben die Besucherinnen und Besucher Natur und Tiere hautnah. Neben Katzen, Hunden und Hühnern gibt es 13 Pferde und Ponys, die gestreichelt, gestriegelt und geritten werden können.
Das altersgerecht gestaltete Lernangebot von Claudia Königsmann ist groß: „Bevor die Kinder zu uns kommen, schicke ich den Lehrkräften eine umfangreiche Themenliste zu. Daraus können sie mit den Kindern auswählen, womit sie sich beim Erlebnistag auf unserem Mitmach-Hof beschäftigen möchten.“
Spannende Lernstationen
Das Huhn steht ganz oben auf der Rangliste der meistgewählten Bauernhofthemen. „Ich baue verschiedene Stationen auf, an denen die Kinder beispielsweise lernen, was ein Huhn frisst, wie sich ein Hühnerei entwickelt oder woran man erkennt, ob ein Ei wirklich frisch ist“, erläutert die Diplom-Agrarökonomin den Ablauf eines Erlebnistages. Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Verschnaufpausen, in denen die Kinder eine Runde mit den Trettraktoren über den Hof fahren oder mit Taschenlampen durch die unzähligen Gänge der aufgebauten XXL-Strohburg klettern. Und weil frische Landluft hungrig macht, wird mittags zusammen gekocht. Zum Erlebnis- Thema `Huhn‘ bereitet Claudia Königsmann beispielsweise mit den Kindern Pfannkuchen zu. Frisch gemachter Kräuterquark mit Pellkartoffeln steht dagegen beim Erlebnistag rund um die Kartoffel auf dem Speiseplan.
Kleine Tricks mit großer Wirkung: Gemüsemuffel für Karotten, Kohlrabi und Co begeistern
Beim gemeinsamen Besuch im Feldgarten oder in der Küche stellt Claudia Königsmann immer wieder fest, dass sehr viele Kinder wenig Gemüsesorten kennen und essen. „Aus den Gesprächen mit den Schülerinnen und Schülern erfahre ich, dass in den meisten Elternhäusern nur selektiv gekocht wird. Was eine Mairübe oder ein Wirsingkohl ist, wissen viele der Kinder nicht.“ Mit kleinen Tricks erzielt die Gemüseexpertin eine große Wirkung.
„Viele Teilnehmer sagen von vornherein, dass ihnen Gemüse nicht schmeckt. Wenn ich aber ein Spiel daraus mache und sie mit verbundenen Augen ein Stück Karotte oder Kohlrabi erraten sollen, machen alle mit. Selbst Gemüsemuffel sind oft ganz überrascht, wie gut es ihnen schmeckt.“
Auch durch die selbstständige Zubereitung steigt das Interesse an frischem Gemüse. „Ich lasse die Kinder zum Beispiel ihr eigenes Kräutersalz mörsern. Eine frisch geschnittene Gurke ist mit der eigenen Kräuterkreation plötzlich noch viel leckerer.“ Damit die jungen Hofbesucher das Erlebte und Erlernte zuhause umsetzen können, dürfen sie sich zum Abschied sechs Gemüsesorten aussuchen, die sie auf dem Balkon oder im Garten einpflanzen können. „So haben die Kinder die Möglichkeit, die Pflanzen beim Wachsen zu beobachten. Es würde mich freuen, wenn sie dadurch Lust bekommen, selbst Gemüse anzubauen“, bekräftigt Claudia Königsmann.
Folie aus Stärke erleichtert die Arbeit im Feldgarten
In ihrem Feldgarten verbringt die Betriebsleiterin, die bis 2022 auf dem Mitmach-Hof noch Freilandschweine gehalten hat, viel Zeit. Von der Puffbohne bis zur Pastinake, vom Radieschen bis zum Rucola Salat: Rund 6000 Pflanzen werden jedes Jahr auf dem halben Hektar großen Stück Land eingebracht. „Viele Gemüsesorten können wir mit der Pflanzmaschine einsetzen“, sagt Claudia Königsmann.
„Was früher mühselig einen ganzen Tag lang mit der Hand eingepflanzt werden musste, geht jetzt viel schneller.“
Eine besondere Folie, die vor dem Einpflanzen komplett über die ganze Fläche gerollt wird, soll das zeitaufwendige Unkrauthaken vermeiden. Das Besondere daran: „Die Folie besteht aus Stärke. Wenn im Herbst alles abgeerntet ist, wird die Folie mit in den Boden eingearbeitet und von den Mikroorganismen in der Erde zersetzt“, erläutert die Landwirtin.
Familienbetrieb baut 20 Kartoffelsorten an
Ihr Schwiegervater war in den 1970er Jahren der erste Landwirt in der Region, der Frühkartoffeln unter Folie angebaut hat. „Ganz am Anfang hat er mit einer Bohrmaschine die einzelnen Löcher in die Folien eingearbeitet“, hat Claudia Königsmann aus Erzählungen an die anstrengende Pionierleistung erfahren. Ihr Ehemann, Holger Hennies, der seit 2021 Präsident des Niedersächsischen Landesbauernverbands ist, führt den integrierten Kartoffel- und Zwiebelanbau erfolgreich in die Zukunft. „Mein Mann leitet unseren Familienbetrieb, den wir nach unserem Studium von seinen Eltern übernommen haben. Zusammen mit einer Kollegin und drei Kollegen bewirtschaften sie in einer Ackerbaubetriebsgemeinschaft 700 Hektar Anbaufläche.“ Holger Hennies ist in der Betriebsgemeinschaft für die Vermarktung der 20 verschiedenen Kartoffelsorten zuständig. „Blauer Schwede“ und „Rosa Tannenzapfen“ sind nur einige der über 200 Jahre alten Landsorten, die auf den Feldern wachsen.
Gemüsestand auf dem Wochenmarkt und fröhliche Geburtstage
Unterstützt wird das Power-Paar der Landwirtschaft von ihren vier Kindern. „Zwei der drei Ältesten sind bereits aus dem Haus und gehen ihre eigenen beruflichen Wege. Unser 16-jähriger Sohn und der zweite Sohn helfen mir noch oft. Aber wenn Not am Mann ist, sind alle meine Kinder zur Stelle, wie sie es einrichten können“, sagt Claudia Königsmann. Die engagierte Landwirtin plant bereits den morgigen Tag: Nach dem Besuch einer Schulklasse, muss sie noch den Wagen für ihren Gemüsestand auf dem Wochenmarkt packen. Außerdem steht ein fröhlicher Pferde-Kindergeburtstag auf dem Mitmach-Hof am Nachmittag an. Claudia Königsmann freut sich schon auf die vielen leuchtenden Kinderaugen, für sie einer der schönsten Momente ihrer Arbeit.