Gülle bringt wertvolle Nährstoffe auf den Acker. Wo besonders viele Tiere gehalten werden, kann sie allerdings Probleme bereiten – weil sie in großen Mengen anfällt. Agraringenieur Helmut Döhler hat zusammen mit Landwirten und anderen Ingenieuren eine Anlage konzipiert, die Gülleverwertung effizienter und umweltverträglicher macht.
Gülle, eine Mischung aus Kot und Harn von Rind und Schwein, ist ein Abfallprodukt. Traditionell hat sie für die Landwirtwirtschaft großen Nutzen: als hochwertiges organisches Düngemittel. Das bestätigt auch Helmut Döhler. Der Agraringenieur aus Unterfranken setzt sich seit Jahrzehnten mit der Verwertung und Aufbereitung von Gülle auseinander. Er berät mit seinem Unternehmen Landwirte in ganz Europa.
„Ich bin auf dem Bauernhof groß geworden. Selbstverständlich habe ich Verständnis dafür, dass Gülle ausgebracht wird“, sagt er. Ein Problem, so der Agrarexperte, sei allerdings die Verwertung und Verteilung des organischen Abfalls. „In einigen Regionen Deutschlands, vor allem in Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, aber auch in Bayern gibt es ,Ballungsräume‘ für Tierhaltung, in denen Gülleüberschüsse zum Problem werden.“
Insgesamt fallen in Deutschland jährlich etwa 160 Millionen Kubikmeter Gülle an. Und sie müssen verteilt werden – etwa in Regionen mit wenig Weiden und Ställen wie Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Dort können dann Bauern, die keine Nutztiere halten, ihre Äcker damit düngen. Bis zu 150 Kilometer wird die Gülle dafür von Hof zu Hof gefahren. Große Mengen kommen außerdem aus den Niederlanden.
Die Biogasanlage Wipptal – ein EU-gefördertes Pilotprojekt
Helmut Döhler hat dieses regionale Gülle-Ungleichgewicht nicht losgelassen. Es animierte ihn, etwas zu unternehmen. In Südtirol konzipierte er daher im Auftrag der Biogas Wipptal GmbH eine Biogasanlange und steuerte deren Umsetzung. Im Juli wurde das EU-geförderte Pilotprojekt, an dem inzwischen rund 70 Landwirte aus der Region beteiligt sind, eröffnet. Die Technologie der Anlage könnte auch hierzulande das Problem der ungleichen Gülle-Verteilung lösen. Im Kern geht es dabei um zwei Fragen: Wie lassen sich die tierischen Exkremente wirtschaftlich, ressourcenschonend und geruchsarm von A nach B transportieren? Und kann man diesen organischen Abfall verringern, ohne dafür die Viehbestände zu reduzieren?
Hier setzt das Konzept der Biogasanlage Wipptal an. Sie gewinnt aus der Gülle nämlich nicht nur erneuerbare Energie: Die bei der Methanproduktion anfallenden Gärreste werden außerdem getrocknet und zu Pellets verarbeitet. Großer Vorteil dieses außergewöhnlichen Endprodukts: Die Nährstoffe des organischen Düngers bleiben erhalten, dem Pressgut wird lediglich das Wasser entzogen. Die Gülle-Pellets lassen sich anschließend unkompliziert und platzsparend transportieren sowie – das ist ein weiterer Vorteil – auch zu einem späteren Zeitpunkt noch nutzen.
Präzisere Steuerung der Nitrat-Ausbringung
Und noch ein Plus bieten die Pellets der Landwirtschaft. Mit dem geruchsarmen Pressprodukt, das nach dem Prinzip von Instant-Nudeln funktioniert, lässt sich der Boden präziser düngen. Und es muss auch nicht sofort auf die Fläche gebracht werden, was einer Überdüngung entgegenwirkt. „Mit den Pellets kann der Landwirt genauer steuern, wie viel Nitrat in die Böden gelangt“, sagt Helmut Döhler. Denn Nitrat, eine Verbindung aus Sauerstoff und Stickstoff, ist grundsätzlich der für das Pflanzenwachstum wichtigste Nährstoff. Erst wenn es in zu großen Mengen in den Boden gelangt, von den Pflanzen nicht mehr verwertet und von der Erde nicht mehr gespeichert werden kann, besteht die Gefahr, dass es das Grundwasser belastet.
Laut einem aktuellen Bericht der Bundesregierung sind die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasser inzwischen an vielen Orten in Deutschland überschritten. Das kann nicht nur die biologische Vielfalt in den Gewässern schädigen, sondern auch die Gesundheit von Menschen. Wasserversorger müssen das Trinkwasser daher aufwendig reinigen. Und das macht es teurer.
Reines, klares Wasser
Bei der Konzeption der Biogasanlage in Wipptal wurde der Erhalt der Grundwasserqualität gleich doppelt bedacht. „Die flüssigen Bestandteile der Gärreste bereiten wir mit Klärtechnik auf. Wir erhalten sehr sauberes Wasser, das wir in den Fluss einleiten können, der an der Anlage vorbeifließt. So etwas hat es bisher noch nicht gegeben“, erklärt Helmut Döhler. Die in der Pilotanlage getestete neue Technologie ist auch für Landwirte in Deutschland interessant. „Die Anlage ist noch nicht serienreif, aber wir sind schon nah dran. Dann könnte sie eine Schlüsselfunktion bei der Lösung des Verteilungsproblems haben“, so der Agrarexperte.
In Südtirol sind die Dünge-Pellets auf jeden Fall schon ein Hit, auch wenn noch „Feinschliff“ an den letzten Details erforderlich ist. Sie werden zukünftig in der Urlaubsregion auf den Obstplantagen und im Weinanbau eingesetzt. Die Bauern, die an dem Projekt beteiligt sind, profitieren gleich mehrfach von der Anlage: Sie können ihren Viehbestand erhalten, die Fahrten vom Hof auf das Feld und über Land haben sich deutlich reduziert und sie können sowohl ihre Lagerkapazitäten als auch die zeitlichen Ausbringungsfenster für die Gülle besser nutzen. Anwohner und Touristen wiederum erfreuen sich an der gewonnenen Bioenergie, am Erhalt der Wasserqualität – und nicht zuletzt am Wohlgeruch auf Wiese und Feld. Eine rundum runde Sache.