Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht. Wie jedes Sprichwort hat auch dieser Satz einen wahren Kern, gerade wenn es um alternative Proteinquellen geht. Fleischersatzprodukte aus Pflanzen oder gar Insektenmehl sind in der Bevölkerung bislang nicht sonderlich beliebt. Auch in der Tierhaltung haben Insekten als Futtermittel noch keinen Stellenwert.
Aber Insekten stellen doch eine gute Quelle für tierisches Eiweiß dar, oder?
Insekten sind seit Langem als Lieferanten für hochwertige Proteine und Fette bekannt. Zudem verbrauchen sie weniger Futter, Wasser und Platz und produzieren weniger Treibhausgasemissionen als andere tierische Proteinquellen. Trotzdem gelten sie in Europa meistens als Ungeziefer. Dabei wurde in zahlreichen Fütterungsversuchen nachgewiesen, dass Insekten umstrittene Futtermittel wie Fischmehl oder Soja ersetzen können. Sie verbessern bei Hühnern zudem das Tierwohl, da natürliches Verhalten und die Tiergesundheit gefördert werden. Das Fett, dass bei der Produktion von Insektenmehl abgeschieden wird, kann als Schmiermittel oder Treibstoff verwendet werden. Das größte Potential bietet aber die Humanernährung, da hochwertige tierische Eiweiße zum direkten Verzehr wesentlich effizienter und konsistenter produziert werden können. Als Zutat in Brot, Müsliriegeln oder Burgern muss man den Anblick von ganzen Insekten auch nicht mehr fürchten.
Die EU hat in den vergangenen Jahren die Liste der neuartigen Lebensmittel immer wieder um bestimmte Insektenarten erweitert. Neben dem Gelben Mehlwurm sind aktuell bestimmte Arten von Heuschrecken und Grillen als Lebensmittel zugelassen. Noch nicht zugelassen ist die Schwarze Soldatenfliege, dessen Larven sich von jeglichen Abfällen ernähren und hochwertigen organischen Dünger zurücklassen. Das ist besonders wichtig, da die Nachhaltigkeit der Insektenproduktion durch die Verwertung von Lebensmittelabfällen enorm gesteigert wird. In Form von Mehl kann die Larve der Schwarzen Soldatenfliege bereits für die Tierfütterung eingesetzt werden.
Warum also wird die Fütterung nicht auf Insekten umgestellt, obwohl die Fütterung erlaubt ist?
Auch wenn wissenschaftliche Erkenntnisse die Nutzung von Insekten als Futter- und Lebensmittel stützen, muss sowohl die Politik als auch die Wirtschaft Wege finden diese Ergebnisse umsetzen.
Mit der anlaufenden Zulassung ist das bereits geschehen, wobei noch zahlreiche Fragen ungeklärt sind. Beispielsweise wäre die Nutzung mancher Insekten zur Abfallbeseitigung sinnvoll. Aus ungenießbaren Lebensmitteln und Abfällen aus der Gastronomie könnten wertvolle Insekten sowie organischer Dünger entstehen. Da Insekten als Nutztiere gelten, dürfen aber in absehbarer Zeit weder Speiseabfälle oder tierische oder menschliche Exkremente verwendet werden.
Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Kosten für das Insektenfutter ein entscheidender Faktor, denn es werden große Mengen protein- und energiereicher Stoffe benötigt. Die zugelassenen Futtermittel verursachen dem Unternehmen entgegen von Abfällen oft hohe Kosten, sodass die Produktionskosten gegenüber Fischmehl oder vegetarischen Varianten höher liegen. Ein ökologischer Mehrwert wäre auch nur geschaffen, wenn zur Insektenproduktion Reststoffe wie Wirtschaftsdünger oder Abfälle genutzt werden dürften. Hinzu kommt noch eine gute Anbindung an ein Wärmenetz, da die Insekten eine stabile Temperatur über 25 ° C benötigen.
Damit liegt das Potential auf der Hand, dass Landwirt:innen mit Tierhaltung und einer Biogasanlage sehr gute Voraussetzungen hätten. Dafür muss sich aber zuerst politisch noch einiges ändern, um diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Zusätzlich ist eine ausgereifte Produktionstechnik notwendig. Einige Start Ups arbeiten bereits an Anlagen, um den Einstieg in die Insektenproduktion zu erleichtern.
Wenn die Hürden so vielfältig sind, hat die Insektenproduktion eine Perspektive in der EU?
Der Bereich der Insektenproduktion als Futter- und Lebensmittel startet in Europa seit wenigen Jahren erst richtig durch. Mit steigendem Interesse der Wissenschaft und Wirtschaft werden auch Politik und Gesellschaft bei diesem Thema sensibilisiert.
Bei Haustieren und in der Nutztierhaltung werden Insekten aufgrund zahlreicher positiver Eigenschaften vermehrt genutzt werden, sobald der Preis durch Skalierung und Änderungen politischer Regelungen sinkt.
In der Humanernährung wird es gerade in Europa wesentlich schwieriger ein Lebensmittel zu etablieren, dass seit je her als Ungeziefer galt. Die Abneigung abzubauen ist zwar ein notwendiger Schritt, aber vor allem in Deutschland entscheidet der Preis was auf den Tisch kommt. Zusätzlich sind persönliche Präferenzen wie Geschmack zu beachten. Wenn die erste Erfahrung mit einem neuen Lebensmittel diese Präferenzen nicht anspricht, wird es kaum gelingen einen großen Kundenstamm aufzubauen.
Essgewohnheiten innerhalb einer Gesellschaft zu verändern ist ein langfristiger Prozess. Dennoch kann es hilfreich sein, hin und wieder über den Tellerrand zu schauen.
Hilfreiche Quellen
Gold, M. (2021). Einführung : Proteine aus Insekten am Beispiel der Black Soldier Fly ( BSF ).