Die einen stehen auf Koriander, die anderen auf Wilde Möhre. Insekten sind da sehr wählerisch. Landwirt Onno Osterloh wollte es ganz genau wissen und startete das Natur- und Artenschutzprojekt „Bienenglück”.
Wussten Sie, dass eine Wildbiene besser schnüffeln kann als ein Polizeihund? Oder dass Wildbienen überhaupt nicht auf exotische Pflanzen „fliegen”? Im Laufe der letzten fünf Jahre gewann Landwirt Onno Osterloh bei seinem ehrenamtlichen Projekt zum Erhalt der Artenvielfalt jede Menge neue Erkenntnisse.
Aber von Anfang an: Der Landwirt aus dem niedersächsischen Ganderkesee hat einen Hof geerbt, dessen Geschichte sich bis zur Entdeckung Amerikas zurückverfolgen lässt. Selbstverständlich haben sich der Betrieb und die Arbeit seit 1492 komplett verändert, aber eines hatten alle seine Vorgänger mit ihm gemeinsam: Sie begriffen ihren Einsatz im Stall und auf den Feldern als generationsübergreifende Verpflichtung. Auch für Onno Osterloh bedeutet es viel, seinen Betrieb langfristig zu erhalten. Er hat vier Töchter und hofft darauf, dass eine oder vielleicht sogar alle vier den Hof weiterführen werden.
Artenschutz beginnt im Boden
Zu den wertvollsten Gütern des Hofs gehört der Boden der rund 220 Hektar großen Ackerflächen. Nur wenn dieser intensiv gepflegt und geschützt wird, kann die Erde die Kulturpflanzen ausreichend mit Nährstoffen und Wasser versorgen. Wesentliche Helfer dabei sind die Lebewesen im Boden. „Regenwürmer lieben Mist. Je mehr von den kleinen Kriechern im Boden sind, desto aufgelockerter und aufnahmefähiger ist die Erde. Deshalb setze ich organischen Dünger ein, den meine Puten und Schweine produzieren“, erklärt Osterloh. Mit dem Anbau von Zwischenfrüchten steigert er den Humusgehalt des Bodens und verbessert so dessen Qualität und gleichzeitig den Lebensraum der Würmer und der anderen Mikroorganismen.
„In unserer Region ist der Boden sehr sandig. Daher konnte man früher nur Hafer anbauen. Inzwischen haben wir den Boden so fruchtbar gemacht, dass wir Qualitätsprodukte wie Raps, Weizen oder Roggen ernten können.“
Eine Versuchsfläche für mehr Vielfalt
Osterloh pflegt seine Hecken und Büsche, die den Ackerflächen als Randbepflanzung dienen und gleichzeitig Vögeln, Igeln, Dachsen und Füchsen eine Heimat bieten. Damit das Wild im Winter Nahrung hat, pflanzte Osterloh Apfelbäume an. Für Molche, Kröten und Wildschweine ließ er Suhlen, also große morastige Löcher, ausheben. Der Landwirt kümmert sich auch intensiv um seinen 15 Hektar großen Wald, in dem Reh- und Damwild und eine Vielzahl Kleintiere leben.
Und er macht noch mehr: Vor fünf Jahren teilte Osterloh eine vier Hektar große Ackerfläche in 150 kleine Parzellen auf. Das sind mehr als drei Fußballfelder. Seitdem sät er auf diesen vielen Flächen Einzelpflanzen oder unterschiedliche Blühmischungen aus, um herauszufinden, welche Insekten welche Blüten besonders lieben. Diplom- Landschaftsökologe Dr. Klaus Handke und Boden- und Pflanzenexperte Jan Juister unterstützen ihn beim Projekt „Bienenglück“ und werten die Ergebnisse wissenschaftlich aus.
Auf die Idee kam Osterloh, der sich seit vielen Jahren als Mitglied der Arbeitsgruppe „Runder Tisch Natur“ in seiner Gemeinde engagiert, weil er angeregt wurde, auf einer Blühwiese Bergwiesensaatgut auszubringen. „Und das im flachen Norden. Das ergab für mich keinen Sinn“, erinnert sich der Niedersachse. Überhaupt wunderte er sich, dass zwar überall Blühwiesen für Bienen entstanden, aber niemand bisher ausgewertet hat, welche Pflanzen den Insekten wirklich schmecken – im Speziellen den Wildbienen, die vom Aussterben bedroht sind.
Wildbienen mögen einheimische Pflanzen am liebsten
„Über 150 Seiten umfasst inzwischen unsere Statistik“, so Osterloh. „Diese gibt Auskunft, welche Pflanzen die einzelnen Insektenarten bei ihrer Nahrungssuche besonders bevorzugen und welche Tiere von unserem ‚Bienenglück‘ profitieren.“
Der Niedersachse zitiert einen kleinen Auszug aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen: „Die Besiedlung erfolgte schnell durch wandernde Arten wie beispielsweise Distelfalter, Postillon, Goldene Acht und Schabrackenlibelle, aber auch seltene Arten wie etwa Rosenkäfer, Hornissen-Raubfliege und flugunfähige Arten wie die Punktierte Zartschrecke, Gemeine Strauchschrecke und die Wespenspinne. Die schnelle Besiedlung wurde vermutlich durch die Größe der Fläche und die Lage in einer strukturreichen Umgebung begünstigt. Das Projekt zeigt beispielhaft, wie schnell eine Förderung der Artenvielfalt auf Agrarflächen möglich ist.“
Der Landwirt berichtet von weiteren Erfahrungen: „Wildbienen mögen zum Beispiel keine eingewanderten Pflanzenarten. Sie stehen auf die einheimischen Blütler, dazu gehören auch Gräser.“
Die Aussaaten nimmt er so vor, dass die Insekten das ganze Jahr hindurch Nahrung finden. Zwischendurch mäht er ein Drittel der Flächen, sodass die Pflanzen dort nochmals blühen.
„Bienenglück“ – ein Leuchtturmprojekt
Seine „Bienenglück“-Fläche ist fruchtbares Ackerland, auf dem der Landwirt normalerweise alle seine Kulturen hätte anbauen können. Aber Naturschutz müsse man intensiv betreiben, ist seine Überzeugung. Deshalb verzichtet er auch gern auf rund 10 000 Euro pro Jahr, die er sonst zum Beispiel durch Weizenanbau mit dieser Fläche hätte verdienen können. Die Arbeitszeiten für das Projekt gar nicht mit eingerechnet.
„Ich freue mich darüber, dass unsere Gemeinde dank unserer Erfahrungen inzwischen weitere Flächen unterstützt, sodass sich unser ‚Bienenglück‘ ausweitet“, sagt Onno Osterloh. Und nicht zu vergessen die große positive Resonanz, die der Landwirt während der Führungen auf dem Lehrpfad erhält, den er gemeinsam mit seinen Partnern angelegt hat und der sogar von Naturschutzverbänden genutzt wird.
„Wildbienen sehen ein bisschen aus wie Fliegen, viele Menschen nehmen sie daher nicht richtig wahr. Aber mit unserem Projekt ‚Bienenglück‘ machen wir sie für alle sichtbar – und uns auch glücklich“, fasst der Landwirt zusammen.