Stefan Stanglmayer steht in Arbeitshose und türkisfarbenem Polohemd in seinem Kuhstall und zeigt zur Decke. „Früher haben sich die Kühe immer an den Seiten des Stalls und unter den Fenstern zusammengedrängt“, erzählt der drahtige, junge Mann. Damals waren das die einzigen Stellen, an denen Frischluft und Licht in das lange Gebäude drangen. Heute fällt durch eine breite Öffnung, die sich über die gesamte Länge des Daches streckt, helles Tageslicht in den langen Raum.
Landwirt Milchkühe
Und von Geschiebe und Gedränge bei den Tieren ist nichts mehr zu sehen. Entspannt stehen sie im Stall verteilt und fressen. Stefan Stanglmayer ist sichtlich stolz auf diesen Erfolg – den ersten von vielen, die er erlebt, seit er das Konzept der Kuhsignale nutzt, um zu verstehen, was seine Tiere wirklich brauchen.
Als Stefan Stanglmayer vor fünf Jahren den Hof seiner Eltern übernahm, begann er, sich Gedanken zu machen, wie er das Wohl seiner Tiere verbessern könne. Die Milchviehhaltung kennt er seit seiner frühen Kindheit. Schon seine Eltern hielten Kühe auf dem Hof der Familie im oberbayerischen Siechendorf, einem kleinen Ort, der aus ein paar Höfen entlang einer schmalen Straße besteht und weniger als zehn Kilometer nördlich von Freising liegt.
„Bei mir schwebte im Hinterkopf schon immer der Gedanke von der biologischen Landwirtschaft“, sagt der junge Bauer. Seine Lehre machte er in einem Betrieb, der ganz auf Effizienz und Profitabilität ausgelegt war. Auf seinem eigenen Hof verfolgt Stefan Stanglmayer eine andere Philosophie. Fleckvieh, die Rasse, die der Siechendorfer auf seinem Hof hält, kann eine jährliche Milchleistung von über 10.000 Liter pro Kuh erbringen. Und obwohl er den Hof seiner Familie als konventionellen Betrieb führt, will der junge Landwirt mit weniger mehr erreichen. „Was verdienst du wirklich am letzten Liter Milch? Da kommt nicht mehr viel raus“, davon ist er überzeugt. Es sei ihm lieber, wenn seine 60 Kühe ein bisschen weniger Milch geben – und dafür gesünder sind.
Der erste Schritt auf dem Weg zu einem Stall voller zufriedener Kühe war eine schnelle, spontane Aktion. Um allen Tieren Zugang zu Frischluft und Licht zu ermöglichen, deckte Stefan Stanglmayer einfach den oberen Teil des Dachs ab. Nur 500 Euro kostete der Umbau, eine Woche arbeitete er gemeinsam mit seinem Vater und einem Mitarbeiter daran. Seitdem stehen die Kühe über den Stall verteilt – und haben so mehr Platz. „Das ist eine Riesenverbesserung“, freut sich der Landwirt.
Das Oberlicht im Stall ist allerdings nicht die einzige Veränderung, mit der Stefan Stanglmayer das Wohlbefinden seiner Tiere verbessert. Angespornt von den guten Ergebnissen der schnellen Aktion beschloss der Landwirt, mehr in die Modernisierung seines Familienbetriebs zu investieren. Gemeinsam mit Tierarzt Michael Schmaußer begann er zu planen. Jetzt erstreckt sich hinter dem alten Stall ein umzäuntes, überdachtes Freigelände, so groß wie ein Parkplatz. Erst vor Kurzem hat Stefan Stanglmayer das Areal angelegt und damit den Platz für seine Milchkühe verdoppelt. Er habe sich bewusst für eine Fläche gleich neben dem Stall entschieden, sagt er. Denn die Wohlfühltemperatur von Kühen liegt bei 10 Grad Außentemperatur, in der Sommerhitze Oberbayerns setzt bei den Tieren auf der Wiese schon bei 25 Grad Hitzestress ein. Von der Freifläche können sich die Kühe bei hohen Temperaturen jederzeit in den kühlen Stall zurückziehen.
An diesem Tag ist es nicht heiß: In langen Reihen liegen mehrere Kühe draußen auf einer 30 Zentimeter hohen Strohschicht und käuen entspannt wieder. Stefan Stanglmayer füttert seine Tiere mit einer Mischration aus Mais, Gras und Heu – so stellt er sicher, dass sie das ganze Jahr über das gleiche Futter fressen. Diese Kontinuität ist wichtig für Milchkühe. Würde er im Sommer nur mit Gras füttern, müsste sich die Verdauung der Tiere im Herbst jedes Mal auf Silage umstellen – ein Prozess, der bei Kühen bis zu drei Wochen dauert und zusätzlichen Stress bedeutet.
Die Umbauten am Stall helfen ebenfalls, Stress zu vermeiden. Während die Kühe im Freigelände sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, sorgt beim Jungvieh, das noch in einem Stall aus den 1960er-Jahren steht, jeder Besucher für Unruhe. Darum kümmere er sich als Nächstes, sagt Stefan Stanglmayer.
Dass die Umstellung seines Betriebs, die er gemeinsam mit Tierarzt Michael Schmaußer angestoßen hat, etwas bringt, merkt der Landwirt auch an der Gesundheit seiner Tiere. „Wir hatten früher viele Probleme, was die Eutergesundheit betrifft“, erzählt er. Die Tiere litten – wie viele Milchkühe – unter Euterkeimen, die trotz regelmäßiger Behandlung mit Antibiotika nie ganz verschwanden. Seit er seinen Betrieb gemäß den Bedürfnissen der Kühe umgestellt hat, braucht Stefan Stanglmayer deutlich weniger Antibiotika.
Das Wohlbefinden der Tiere wirkt sich auch positiv auf den Gewinn aus, den der Landwirt mit seiner Milch macht. Da seine Kühe in dem bequemen Freigelände weniger stehen, produzieren sie mehr Milch. „Der letzte Liter Milch kommt aus dem Tierwohl“, nennt das Stefan Stanglmayer.
Und damit er immer weiß, wie es seinen Tieren geht, greift er, obwohl ein modernes Tracking-System und ein Melkroboter alle Bewegungen seiner Kühe im Stall digital aufzeichnen, regelmäßig auf eine ziemlich altmodische Methode zurück: Er nimmt sich einen Stuhl, setzt sich damit in eine Ecke seines Stalls und schaut zu, was seine Kühe machen. Erfolgreiche Milchviehhaltung, davon ist er überzeugt, beginnt immer damit, genau auf die Signale der Kühe zu achten.