Marianne und Klaus Albersmeier betreiben eine Schweinemast der Haltungsstufe 4 Premium. Auf ihrem Betrieb steht Tierwohl an oberster Stelle. Mit 100 Prozent Strohhaltung, Ausläufen an allen Ställen, saufen aus offener Fläche, Raufutter, und Spielzeug bieten sie den Tieren alles, was das Leben für sie auf dem Hof schöner macht
Es fühlt sich ein bisschen so an, als sei man auf der Arche Noah gelandet. Wer den Hof der Albersmeiers in Hüttinghausen bei Soest besucht oder hier Ferien macht, trifft auf eine kunterbunte Tierschar:
17 Alpakas, 8 Esel und ein Fohlen, 30 Hühner, 3 Hunde, 15 Schafe und 3500 Schweine leben auf dem Betrieb, zu dem neben Tierställen und Maschinenhallen, ein Wohnhaus aus dem Jahr 1860, eine 360 KW Photovoltaikanlage sowie ein Agroforstbestand mit über 400 Bäumen gehören und 125 Hektar Acker und Grünland bewirtschaftet werden.
Gerste, Roggen, Weizen, Zuckerrüben, Mais, Ackerbohnen und vieles mehr baut das Ehepaar auf den Feldern an. Das Getreide und die Ackerbohnen werden zu proteinreichem, gentechnikfreiem regionalem Futter verarbeitet und an die Tiere verfüttert. „Wir fermentieren es vorher, damit es leichter bekömmlich ist“, erzählt Marianne Albermeier.
Das Landwirtsehepaar hat ein großes Herz für seine Nutztiere. Schon früh nahmen die Albersmeiers, die sich 2009 kennenlernten und für die es jeweils die zweite Ehe ist, an Tierwohlprogrammen teil. Gestartet haben sie mit der Initiative Tierwohl. 2015 kam ein Ringelschwanzprojekt dazu.
„Bei einem der Vorträge lernten wir Dr. Steffen Entenmann kennen. Er sagte uns schon damals voraus, dass es die Schweinehaltung in der damaligen Form zehn Jahre später in Deutschland nicht mehr geben würde.“
Seine Ausführungen haben die Albersmeiers beeindruckt und beschäftigt. Und obwohl sie gerade erst einen großen Stall 2010 fertig gebaut hatten, beschlossen sie, ihren Hof noch zukunftssicherer zu machen. Sie nahmen einen Kredit in Höhe von 1,5 Millionen Euro bei der Sparkasse auf, rissen Mauern heraus, bauten alle Ställe um mit 8 Abteilen für zirka 450 Tiere pro Abteil. „Die Beton-Spaltenböden wurden mit Plastikfolie und Zement verschlossen und Stroh daraufgelegt.“ Auch ihre Ferkelerzeugerin, die drei Kilometer weit entfernt angesiedelt ist, investierte eine Million Euro in einen neuen Aufzugsstall, sodass beide Betriebe eine neue Basis für ihre wirtschaftliche Zukunft legten.
2014 stellten die Albersmeiers fest, dass ihre Tiere extrem viel Wasser verbrauchten und zu viel Gülle produziert wurde. „Daraufhin ließen wir die Gülle im Labor untersuchen“, erläutert die Landwirtin. Und tatsächlich. Diese war so dünnflüssig, dass sich Klaus Albermeier ein neues Wassersystem einfallen ließ. Er konstruierte eine Tränke aus Edelstahl. Das patentierte KA-Rondell ist so konzipiert, dass die Schweine nicht darüber springen können. Außerdem verschließt sich die Tränke automatisch, wenn der maximale Wasserstand erreicht ist. Darüberhinaus brachte der pfiffige Tüftler einen Korb mit Raufutter und Spielseile an der Konstruktion an. Dank dieser Erfindung spart der Hof bis zu 40 Prozent Gülle ein sowie jede Menge Wasser. „2017 wurden wir dafür auf der Eurotier mit dem dlv-Medienpreis „Neuheit des Jahres“ ausgezeichnet“, freut sich die Landwirtin.
„Gemeinsam mit der REWE West aus Köln haben wir dann unser Strohwohlprojekt entwickelt“, erzählt Marianne Albersmeier.
Das ist jetzt fünf Jahre her. „Wir sind stolz darauf, dass in unserem Programm Ferkelerzeuger, Mastbetriebe, Schlachthof und Einzelhandel alle auf Augenhöher gemeinsam an dem Programm teilnehmen.
Der Betrieb liefert 140 Tiere pro Woche in den zirka 20 Kilometer entfernt gelegenen Schlachthof in Hamm. Die Schweine bleiben ein halbes Jahr lang auf dem Hof, also sechs Wochen länger als in anderen deutschen Schweinemastbetrieben und sind danach auch 30 Kilo schwerer. „Das Fleisch schmeckt fantastisch und anders als das herkömmliche Schweinefleisch. Es ist reifer und dunkler und wässert nicht“, beschreibt Marianne Albersmeier die Qualität.
„Unser Tiere werden konventionell in Haltungsstufe 4 gehalten. Das ist die zur Zeit höchste Haltungsform“, erklärt die Landwirtin weiter. „Das ist für uns eine Haltungsform, mit der wir gut leben können. Unsere Tiere werden bei Krankheit mit Einzeltierbehandlung versorgt. Es gibt keine Medikamente über das Futter“.
Schweine sind dem menschlichen Organismus sehr ähnlich. Auch sie bekommen Erkältungen, Grippe oder Durchfall. „In so einem Fall müssen sie ärztlich behandelt werden, auch notfalls mehrfach, wenn die Krankheit es erfordert. In der Biohaltung verliert ein Tier nach mehrfacher Behandlung den Biostatus. Deshalb vermeiden Biobauern den Einsatz von Antibiotika, was für uns nicht tierwohlgerecht ist“, so die Landwirtin. „In kalten Monaten setzen wir präventiv homöopathische Mittel wie Heilpflanzenöle ein. Das beugt Erkältungen vor“.
Auch bei den anderen tierischen Hofbewohnern geht das Landwirtsehepaar auf deren Bedürfnisse ein. So müssen die Alpakas ihre Wiese nicht mit den „ungehobelten“ Schafen und Eseln teilen, die ihr Geschäft überall verrichten, während sich die Alpakas Toiletten anlegen. Einmal im Jahr lässt der Hof die aus Südamerika stammenden Tiere scheren. Aus ihrer Wolle werden Steppdecken und Kissen produziert und verkauft. Der Erlös wird in Futter und Tierarztkosten investiert.
„In unseren 2023 neu eröffneten Ferienwohnungen schlafen die Gäste unter den Steppdecken aus der Wolle unserer eigenen Tiere“, freut sich Marianne.
„Das ist gelebte Nachhaltigkeit“. Die Wohnungen sind mit vier und fünf Sternen ausgezeichnet und werden von Marianne verwaltet. „Wir sind kein Ferienhof im klassischen Sinne. Unsere Gäste erleben neben vielen Tieren moderne Landwirtschaft hautnah.“
So bunt wie die Tierschar, so bunt sind auch die Kulturen der Menschen, die auf dem Hof arbeiten. Da sind zum Beispiel regelmäßig Praktikanten aus Uganda, die im Rahmen eines Austauschprogramms der Schorlemer Stiftung auf dem Betrieb leben und mitwirken.
„Die Anwesenheit von Menschen von der anderen Seite der Welt belebt unser Team enorm“.
Auch Seif aus dem Libanon gehört seit langem zum Team des Hofes. „Er hat ein tolles Händchen für Tiere“, erzählt Marianne Albersmeier. „Seif kam gemeinsam mit anderen Flüchtlingen zu uns, als wir 2018 den Stall umgebaut haben.“ Die Helfer lernten auf dem Hof Deutsch und sind inzwischen alle in anderen Unternehmen beschäftigt. „Damals haben sie Mauern gebaut und Säulen gezogen. Die eine oder andere ist später wieder umgekippt“, erinnert sich die Mutter dreier Kinder lächelnd. Aber das stört sie nicht. Hauptsache sich gegenseitig helfen und zusammen etwas schaffen, lautet ihr Motto. Regelmäßig werden Besuchergruppen über den Hof geführt, alle zwei Jahre ein großes Hoffest „Kultur am Stall“ mit Lifemusik und Tag der offenen Tür veranstaltet. Da bleibt keine Zeit für Langeweile. Marianne ist als Agrarscoutin aktiv, und Öffentlichkeitsarbeit ist ihr ein großes Anliegen.
„Ich werde oft gefragt, ob sich das alles lohnt. Aber nichts machen ist für uns keine Alternative“, sagt die energiegeladene Frau, die mit ihren 63 Jahren mitten im Leben steht.
„Wir haben keinen Nachfolger. Unsere Kinder sind in anderen Berufen glücklich. Aber unser Betriebsleiter Till passt menschlich und betrieblich perfekt zu uns, und wir sind zuversichtlich, das er später den Hof in unserem Sinne weiterführen wird.“ Die Albermeiers haben noch viel vor. „Wir wollen reisen und die Welt sehen“, sagt sie. „Das tun wir jetzt schon, im Januar waren wir drei Wochen in Uganda und haben ehemalige Praktikanten besucht. Wir haben auf dem Hof ein tolles Team, dass uns das ermöglicht.“
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Bildquellen: Hof Albersmeier; Koehler Fotodesign