Der Landwirt als Unternehmer Tobias Honvehlmann aus Nordrhein-Westfalen ist Tierhalter, Pflanzenexperte, Börsenhändler und Krisenmanager in einer Person. Hier berichtet er über die Anforderungen in seinem Job, hohe Betriebs- und Investitionskosten und schwankende Milchpreise.
Wenn man an den alten Eichen vorbei auf den großen Hofplatz einbiegt, fällt der Blick auf die umliegenden Gebäude und Erweiterungen, die hier von Familie Honvehlmann aus Erle in den letzten zwei Jahrhunderten errichtet wurden. Der jüngste Bau ist eine Fahrsiloanlage von 2021. Im ältesten Komplex, der Tenne aus dem Jahr 1851, sind heute die Kälber untergebracht. Hinzu kommen zwei Ställe mit Platz für jeweils 60 Milchkühe, die 1993 und 2007 entstanden, eine Scheune für Futtermittel und Maschinen, Baujahr 1961, und das Wohnhaus, in dem Tobias Honvehlmann mit seiner Verlobten Vera Hülsken und seinen Eltern Ludger und Martina lebt.
17 000 Euro verschlang allein der Unterhalt der Gebäude im letzten Jahr. Insgesamt entstanden dem Hof, auf dem 50 Hektar Ackerland und 30 Hektar Grünland bewirtschaftet werden, rund 600 000 Euro Kosten im Jahr 2022. Das Geld erwirtschafteten Ludger, Martina und Tobias Honvehlmann gemeinsam mit einer Auszubildenden. Am Jahresende haben sie eine positive Bilanz über 170 000 Euro erreicht, eine Ausnahme. Im Schnitt der Jahre liegt die Betriebsbilanz eher bei 30 000 bis 60 000 Euro.
Der Betrag wird in Tierwohl und in die betriebliche Modernisierung reinvestiert. „Dazwischen gab es allerdings auch Jahre mit negativer Betriebsbilanz“, erzählt Tobias Honvehlmann. Der 27-Jährige machte 2021 seinen Master in Angewandter Nutztierwissenschaft in Osnabrück. „Es ist schon eine besondere Leistung, dass wir mit nur drei Arbeitskräften und einem Azubi einen so hohen Kapitaleinsatz bewegen. Die Investitionen für neue Gebäude oder Maschinen liegen zwischen 300 000 und 500 000 Euro. Die Summen müssen nach zehn bis zwanzig Jahren abgeschrieben und von uns erwirtschaftet worden sein“, erläutert der Junglandwirt.
Für ihn ist die Landwirtschaft die Branche mit dem größten Optimismus.
„Wir haben keinerlei Planungssicherheit. Jedes Jahr sind wir von Neuem zu 100 Prozent aufs Wetter und die nicht vorhersehbaren Milchpreise angewiesen. Haben wir beispielsweise eine Dürreperiode, steigen unsere Kosten für Tierfutter ganz gewaltig, und es hat dabei auch noch eine schlechtere Qualität“ berichtet der junge Nordrhein-Westfale.
Im vergangenen Jahr gab der Hof über die Hälfte der Betriebskosten für Tiernahrung aus. „Durch den Ukrainekrieg stiegen auch die Kosten für Düngemittel und Saatgut noch einmal exorbitant. Sie waren 2022 doppelt so hoch wie sonst.“
Immer wieder und unaufhörlich müssen Landwirte hohe Summen in ihre Betriebe investieren. „Wir haben die letzten Jahre viel Geld in mehr Tierwohl gesteckt. Uns liegen unsere Tiere sehr am Herzen. Wir freuen uns darüber, wie fit und gesund unsere Kühe sind“, sagt der Agrarwissenschaftler. So tauschte die Familie den 28 Jahre alten Melkstand gegen zwei Melkroboter aus und schaffte Futteranschieberoboter und Spaltenroboter an.
„Die Kühe können jetzt an jedem Tag der Woche zu jeder Stunde selbst entscheiden, ob sie gemolken werden wollen“, erklärt Tobias Honvehlmann die Arbeit der Roboter.
„Durch den Futteranschieber kommen sie jederzeit an frisches Futter heran, und der Spaltenroboter hält den Stall durchgängig sauber.“ Ein modernes Stallbelüftungssystem mit Wasservernebelung, Kuhbürsten und große Liegeboxen sorgen für mehr Wohlbefinden der Tiere, genau wie ein neuer Außenlaufhof, den die Tiere an 365 Tagen im Jahr nutzen können.
„Hinzu kommt, dass wir die Tiere sowieso mindestens 120 Tage im Jahr auf der Weide halten“, sagt Honvehlmann.
All diese Investitionen und der Zeitaufwand müssen finanziell auch tragbar sein. Die Einnahmen des Hofs hängen vom jeweils aktuellen Milchpreis ab. Fällt dieser unter 45 Cent netto pro Liter, würden die Honvehlmanns Verlust machen und dadurch ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, und das bei gleichbleibendem Arbeits-, Zeit- und Kostenaufwand. „Zusätzlich müssen wir auch Pachten zahlen und unsere Maschinen warten beziehungsweise mieten“, so Tobias Honvehlmann.
Dank der hohen Investitionen ins Tierwohl wurde der Hof mit der Premiumstufe des Tierschutzlabels ausgezeichnet.
„Unser Betrieb wird regelmäßig und streng kontrolliert, ob wir auch alle Tierwohlpunkte einhalten. Aber die Ausgaben haben sich gelohnt. Wir haben uns im Bereich Tierwohl und Nachhaltigkeit zukunftsfähig aufgestellt“, freut sich der Landwirt.
Zwar sei die Nachfrage nach Milch hierzulande leicht sinkend, aber Milchpulver ist beispielsweise ein Weltmarktprodukt, das an der Börse gehandelt und in vielen Ländern benötigt wird. „Natürlich beobachte ich die Kurse genau“, sagt Tobias Honvehlmann. „Ebenso muss ich darauf achten, wie sich Düngerpreise entwickeln und gegebenenfalls einen Vorkauf tätigen, wenn ich der Ansicht bin, dass die Preise günstig sind.“ Ähnlich agiert der junge Landwirt auch in Sachen Treibstoffankäufe. „Hier sichern wir uns teilweise schon Vorkontrakte.“
Längst ist Tobias Honvehlmann nicht mehr nur Experte für Pflanzen und Tiere, sondern auch Buchhalter, Investor und Börsenspekulant in einer Person. „Diese abwechslungsreiche Arbeit in Kombination mit Natur und Tieren ist genau das, was mich so fasziniert.“ Dafür ist der Landwirt und Unternehmer gemeinsam mit seiner Familie bereit, jedes Jahr aufs Neue das volle wirtschaftliche Risiko auf sich zu nehmen. So wie aktuell:
„Die Molkerei sagte uns, dass sie die Prämie von 4 Cent für das Tierschutzlabel vielleicht bald nicht mehr zahlen könne, da sich das Kaufverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher wieder geändert hat und sie weniger Geld für Milch zahlen wollen.“